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Sneakers und Nadelstreifen
Tommy Boy ist 20 Jahre alt geworden. In den ersten zehn Jahren schrieb das Label mit Afrika Bambaataa, Stetsasonic, De La Soul, Digital Underground, Queen Latifah, Naughty By Nature und House Of Pain HipHop-Geschichte. Ein reines HipHop-Label war Tommy Boy jedoch nie. Dance, Rock und neuerdings Gospel haben in der Agenda des Labels ebenso eine Rolle gespielt und könnten in naher Zukunft sogar noch an Bedeutung gewinnen. Inmitten seines vollen Terminkalenders hat sich Labelchef Tom Silverman Zeit genommen, sich mit Jan Wölffel auf den Spuren der Vergangenheit zu begeben und einen Blick in die Zukunft zu werfen.
und 22. Straße) rotieren auf einem überdimensionalen Bildschirm einträchtig aktuelle Videos von Klassikern wie De La Soul, Afrika Bambaataa und Tony Touch sowie neuere Acts wie Coo Coo Cal, Rock/Pop/Dancechanteuse Amber, der College-Rock/Rap-Crosssoverformation Rustic Overtones, der Gospelsängerin Kim Burell und einem weiteren,[link widoczny dla zalogowanych], mir nicht bekannter Houseact. Zwei vermutlich Mittdreißiger im legeren \"Gym-Outfit\",[link widoczny dla zalogowanych], mit Käppi und dezenten Bärtchen bleiben kurz vor dem Bildschirm stehen und diskutieren den neuen Remix eines der laufenden Tracks. Weitere Leute warten unterdessen darauf \"eingelassen\" zu werden. Die Büroräume liegen, gut gesichert links und rechts von einem Gang, an dessen Wand die Cover aktueller Alben leuchten. Es herrscht ein geschäftiges Treiben. Tom Silverman, Chef des ganzen, den alle nur \"Tom\" nennen, düst vorbei und bekommt von einem mit mir wartenden, etwas fülligen \"Homie\" ein Demo in die Hand gedrückt. Die Atmosphäre bei Tommy Boy scheint familiär, dass Betriebsklima ist wenig hierarchisch durchorganisiert und beeindruckend locker.
Eine gute halbe Stunde später bin ich mit \"Tom\" auf dem Weg zum Mittagessen in einem nicht unfeinen kubanischen Restaurant. \"Schon die vielen deutschen Autos hier bemerkt ?\", eröffnet er bewusst locker unser Gespräch. Die Bemerkung lässt mich an KRS-Ones Beweggrund für sein letztes Album denken: \"In Deutschland\", so KRS-Ones wie immer um zwei Ecken gedachte Logik, \"sind alle Taxis von Mercedes-Benz. Was für eine Respektlosigkeit gegenüber dem Rest der Welt,[link widoczny dla zalogowanych], wo sich die Menschen für Statussymbole dieser Art gegenseitig umbringen.\"
Womöglich würde Tom Silverman dem beipflichten, wandert er mit seinem Label doch seit 20 Jahren auf dem schmalen Grad zwischen Innovation und Rentabilität: \"Weißt du, ich habe Sachen für Geld gemacht und in diesen Fällen in der Regel draufgezahlt. Capon-N-Noreaga kosteten mich z. B. insgesamt 3 Millionen Dollar. Ich denke auch nicht, dass die beiden musikalische Genies waren. Sie brauchten 1,5 Jahre ihr Album aufzunehmen und anstelle eigene Ideen einzubringen, haben sie sich auf bekannte Produzenten verlassen. Wer aber sind die Visionäre? Wer sind die Leute,[link widoczny dla zalogowanych], die ein klares Konzept, eine eigene Linie haben? Meines Erachtens sind dies u. a. Afrika Bambaataa, Prince Paul, Pos und Kay Gee. ‚Me, Myself I' ist für mich ein Track, hinter dessen Aussage ich nach wie vor stehe. Sich selbst treu zu bleiben und nicht das zu machen, was andere machen, ist eine Herausforderung. Bambaataas zentrale Botschaft war ein friedfertiges Miteinander und wenn wir heute miteinander reden, sagt er immer noch ‚Peace'.\"
Afrika Bambaataa,[link widoczny dla zalogowanych], der übrigens sein neues Album auf Tommy Boy veröffentlichen wird, und seine Soul Sonic Force waren für Tommy Boy ein Glücksfall. Silverman erinnert sich an die Zeit zwischen 1980 und 1985: \"Damals explodierte in New York jener ‚High Energy Electro Funk Sound'. Die Leute liebten die neuen technologischen Sounds. Erinnere dich an Anita Wards ‚Ring My Bell' mit diesem synthetischen Drumsound. Das gab es früher nicht und die Single wurde ein Mega-Hit. ‚Planet Rock' war die erste Platte mit der 808, digitalen Synthesizern,[link widoczny dla zalogowanych], Raps und dem Kraftwerk-Sample.\"
Bevor \"Planet Rock\" jedoch zu seinem Siegeszug um den Globus ansetzte, sollte das von Arthur Baker produzierte \"Jazzy Sensation\" mit Afrika Bambaata und den Jazzy 5 an den Mikrophonen 1981 in New York für mächtig Wind sorgen. Der Track wurde von Mr. Magic gespielt, dessen Radioshow um die 10.000 ZuhörerInnen in Manhatten und Teilen der Bronx erreichte, und in der darauffolgenden Woche gingen sage und schreibe 5.000 Platten über die Ladentheke. Es folgten diverse Clubeinsätze und ganz New York erlag dem \"Jazzy Sensation\"-Fieber. Für die kommenden Sensationen sorgte dann Mr. Magic in dem er die R Force MD`s und Stetsasonic bei Tommy Boy unterbrachte. Die Elektro-Funk-Phase, an der Tommy Boy u. a. mit Planet Patrol und der Jonzun Crew partizipierte, neigte sich dem Ende zu.
Die \"goldenen Jahre\"
Mitte der 80er Jahre begann sich Run DMCs trockener, härterer und puristischer Sound durchzusetzen. Über Prince Paul gelangten dann De La Soul zu Tommy Boy, und dass Digital Underground ihre humoristischen,[link widoczny dla zalogowanych], mit P-Funk vollgestopften \"Sex Packets\" ein Jahr nach De Las bahnbrechenden Debütalbum \"3 Feet High Rising\" auf Tommy Boy veröffentlichten, verdanken wir laut Tom Silverman nicht zuletzt dem Umstand, dass das Quartett (Prince Paul mitgerechnet) aus Long Island von Digital Undergrounds Demotape hellauf begeistert war.
\"Generell\", so Tom Silverman über die Verpflichtungen von Künstlern, \"kamen unsere wirklich erfolgreichen Gruppen auf Empfehlungen von befreundeten Künstlern und Leuten aus der Branche zu uns.\" Das erfolgreiche HipHop-Feld komplettierten in den \"goldenen Jahren\" des Labels zwischen 1989 und 1993 das \"HipHop-Rolemodel\" Queen Latifah, die zuvor noch mit seichteren Tönen als New Style auf Sugar Hill agierenden Naughty By Nature,[link widoczny dla zalogowanych], der selbsternannte \"Black Panther des HipHops\" Paris und das beinharte irisch-lettische Trio House Of Pain.
Nebenbei behielt Tommy Boy die Dancefloors, der seit \"Planet Rock\" dem Label gegenüber loyalen Latin-Community, mit Force MD's und TKA (mit Angehörigen der legendären Breakdanceformation Rocksteady-Crew), im Auge. Desweiteren tummelten sich auf Tommy Boy noch eine Reihe bizarrer Gestalten wie die \"Drag Queen\" RuPaul, Neo Souler Club Nouveau, die \"amerikanischen Galliano\", Groove Garden, britische Danceacts wie 808,[link widoczny dla zalogowanych], Coldcut und LFO und nicht zuletzt HipHop-Größen wie Prince Rakeem (RZA) und Lord Finesse. Kein Wunder, dass sich Tommy Boy selber stets als \"Dance-Label\" verstanden hat und laut Silverman, \"über innovative und kreative Musik verschiedene Kulturen zusammenbringen wollte\".
Einer bestimmten Kultur verpflichtet fühlte sich Tom Silverman jedoch nie. 1992 lehnte Tommy Boy es ab,[link widoczny dla zalogowanych], Paris zweites Album \"Sleeping With The Enemy\" aufgrund der politischen Brisanz von Tracks wie \"Bush Killa\" und \"Coffee, Donuts Death\" zu veröffentlichen. In den folgenden Jahren verließen einstige Zugpferde wie Digital Underground oder Naughty By Nature das Label. Ihr innovativer Mehrwert war, so die Logik der Rentabilität, abgeschöpft. Coolio sorgte mit den einfach gestrickten Hits \"Fantastic Voyage\", \"1-2-3-4\" und vor allem \"Gangsta's Paradise\" für klingende Kassen und als gutes Geschäft erwiesen sich Compilations und Soundtracks wie \"Ride\", \"New Jersey Drive\" und natürlich \"Dangerous Minds\". Noreaga kostete, wie bereits erwähnt, mehr als er einspielte und De La und Prince Paul setzten ihre Akzente beileibe nicht in irgendwelchen Verkaufscharts.
Tommy Boy startete überdies u. a. mit der inzwischen eingestellten \"Black-Reihe\", dem Versuch, im Underground-HipHop mitzumischen,[link widoczny dla zalogowanych], bewies aber wenig Durchhaltevermögen. Die Distanz zum einstigen Standbein HipHop verrät Tom Silvermans beiläufige, allerdings persönliche Äußerung; \"Wenn du über die drei Säulen des HipHops reden möchtest, solltest Du Dich an KRS-One wenden.\" Eben KRS-One antwortete auf meine Frage nach den Anfängen von HipHop übrigens: \"Die Höhlenmalerei.\"
Auf der Suche nach dem \"Neuem Ding\"
In den letzten Jahren oblag es dann De La Soul,[link widoczny dla zalogowanych], Tony Touch, Prince Paul und Dan The Automator mit ihrer Handsome Boy Modeling School und Everlast Tommy Boy über Wasser zu halten. Kleine Erfolge erzielte Tommy Boy zudem in den Bereichen Rock, Dance, Gospel und NuMetal. Letzteres findet auf Tommy Boy allerdings nicht mehr statt: \"Diese ganze Metal-Schiene\",[link widoczny dla zalogowanych], winkt Tom Silverman ab,[link widoczny dla zalogowanych], \"passte einfach überhaupt nicht zu uns.\" Vielleicht hätte er das vor dem Signen von Acts wie Boiler Romm bemerken sollen .
Wohin aber geht die Reise? \"Nun\",[link widoczny dla zalogowanych], so Tom Silverman, \"in diesem Jahr feiern wir erst einmal unser 20-jähriges Bestehen. Es wird kleinere Aktionen auf unserer Website geben und die Wiederveröffentlichungen unserer Klassiker sind gerade heute wichtig, weil viele aus der jüngeren Generation gar nicht mehr wissen, wo die Wurzeln ihrer Kultur sind. Die Anfänge von HipHop lagen in der Bronx und dem nördlichen Manhatten. Von hier aus hat sich HipHop über das ganze Land ausgedehnt.
Die erste und zweite Generation waren Innovatoren, danach fing es meines Erachtens an, dass die nachfolgenden Generationen sich auf die jeweils vorherigen bezogen. Es ist sicherlich auch kein Zufall, dass HipHop heute in Regionen eine größere Rolle spielt, die früher kaum relevant waren. Von den beiden Küsten ist HipHop in die Mitte Amerikas gerückt, weil die Energie dort noch etwas Ursprüngliches an sich hat. Ich denke auch, dass im HipHop der MC anstelle des DJs immer mehr in den Vordergrund trat.
Viele der heuer populären Gruppen haben nicht einmal mehr einen DJ. Afrika Bambaata wollte die Zuhörer damals über die Musik, die Beats weiterbilden. Die Beats haben immer mehr Kraft als Worte. Der DJ und Soul wird in nächster Zeit auf Tommy Boy eine größere Rolle spielen. Letztes Jahr habe ich 12.000 Dollar (als Synonym für eine 12-Inch) auf meinen Tisch gelegt, um mich daran zu erinnern, dass alles vom DJ ausging. Ich möchte wieder Musik veröffentlichen, die tanzbar ist. Gerade sind wir in Gesprächen mit den Masters Of Work. Außerdem haben wir ja noch Prince Paul, der (wie auch De La Soul) an einem neuen Album arbeitet.
Prince Paul hat niemals viel Geld mit seiner Musik verdient und ist in den letzten Jahren vor allem als DJ unterwegs gewesen. Sein neues Album wird definitiv für den Dancefloor bestimmt sein. Dann haben wir noch Rockgruppen unter Vertrag genommen, die auf die eine oder andere Art und Weise mit HipHop oder DJs in Verbindung stehen. In Gesprächen mit ihnen haben wir oft festgestellt, dass die Gruppen mit Tommy Boy Platten aufgewachsen sind.
Ich mag z. B. die Rustic Overtones sehr, die schon mit De La Soul auf Tour gewesen sind und auf Naughty By Natures letztem Album dabei waren. Und dann wäre da ja noch Gospel Musik. Kim Burell ist hier in Amerika sehr angesagt. Ich sehe Gospel als eine moderne Variante von Soul an. Was aber das neue, kommende Ding sein wird, vermag ich noch nicht zu sagen. Vielleicht sind es ja Broadcast, deren erstes Album wir, nachdem Sire Records es nicht mehr vertreiben wollten, übernommen haben und mit denen wir auf jeden Fall weiter zusammenarbeiten werden.
Persönlich schätze ich auch die Musik von Bob Sinclair, Joey Negro und den Masters Of Work. Sie haben alle einen ähnlichen Hintergrund und Herangehensweise wie damals Afrika Bambaataa und spielen bzw. verwenden von ‚Melting Plot' bis ‚It`s Just Begun' die ganzen alten Klassiker. Ich bin wirklich sehr gespannt, was in nächster Zeit passieren wird. Es ist wieder an der Zeit etwas Neues zu finden.\"
Der amerikanische Pioniergeist lebt. Den Cowboyhut hat Tom Silverman zwar gegen einen saloppen Anzug eingetauscht, die jugendliche Begeisterung und den Elan hat er sich in all den Jahren aber bewahrt. Ob das Glück ihm wie in den 80ern und Anfang der 90er hold sein wird, wird sich zeigen.相关的主题文章：

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